Das Lehrgedicht des Parmenides über das Wesen des Seienden (ca. 515 v. Chr.) begründete die Ontologie – und damit die abendländische Philosophie. Für diese Wirkungsgeschichte war es entscheidend, dass Parmenides nicht nur das in Wahrheit Seiende vom Nicht-Seienden unterschieden, sondern es auch als Eines, Unveränderliches, in sich Vollendetes, Ganzes und in sich Zusammenhängendes bestimmt hat. So kann Parmenides schon dadurch ein gegenwärtiges Bewusstsein beeindrucken, dass man bei ihm erstmalig die Unterscheidung begründet findet, ohne die auch wir in der Bewältigung unserer Wirklichkeit nicht auskommen können, nämlich diejenige zwischen dem, was in Wahrheit ist, und dem, was in Wahrheit nicht ist, aber dennoch den Anschein erweckt, ein Wahres zu sein.
Ebenso findet sich bei ihm ein Verständnis des Seienden, das sich nicht darauf beschränkt, ein bloßes Vorhandensein von etwas zu registrieren, sondern darin eine Kraft ausgedrückt findet, wie sie von einem Werk der Kunst oder der sinnlichen Präsenz einer Person ausgehen kann. Wir leben alle von solchen Eindrücken und zugleich von dem irritierenden Wissen, dass auch sie täuschen und in einer zunehmend durchmedialisierten Welt sogar häufig bewusst vorgetäuscht sein können, so dass es nach wie vor wichtig ist, Kriterien dafür an der Hand zu haben, überzeugend wirkliches Sein von Nicht-Seiendem unterscheiden zu können. Und vielleicht ist es auch für uns noch so, dass das, was für uns ein ›in Wahrheit Seiendes‹ ist, etwas Dauerhaftes darstellt, das nicht das eine Mal ist und dann wieder nicht oder mal diese und dann wieder jene Gestalt annimmt, sondern ein Wirkungskontinuum des Vollkommenen, das von seiner 'Mitte aus nach allen Seiten gleich sich schwingt' (Parm., Fr. 9, 42ff.).
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