Heute sind es meist die Armen und Ausgegrenzten, die sowohl in neuen, reaktionären
Bewegungen ihr Heil suchen als auch in progressiver Art aufbegehren – von Montagsdemos bis hin zu Gelbwesten-Aufmärschen.
Karl Marx und Friedrich Engels prägten für sie den Begriff «Lumpenproletariat». Er bot ihnen die Möglichkeit, ihre Prognosen aus den Revolutionsjahren 1848/49 zu revidieren. Sie propagierten jetzt, schuld an der Niederlage der Revolutionen seien neben der eigenen
Schwäche des Proletariats auch «sozial degradierte, von den Herrschenden korrumpierbare
und daher im Klassenkampf passive oder ambivalent agierende Teile der sozialen Unterschichten» gewesen: das Lumpenproletariat eben.
Findet sich das revolutionäre Subjekt also im Industrieproletariat oder bei den «Verdammten dieser Erde»? Während die Sozialdemokratie ihre Hoffnungen in die gut organisierte Arbeiter*innenklasse setzte, weiteten Revolutionäre, denen der Rückgriff auf eine solch relativ homogene Klasse fehlte, ihr Verständnis des revolutionären Subjekts aus. Lenin und Mao beispielsweise betrachteten das Lumpenproletariat strategisch und betonten die Bedeutung dieser Klasse, die nicht vom Kapitalismus absorbiert worden war, erkannten aber auch die Notwendigkeit ihrer revolutionären Führung.
Aus alledem ergibt sich – aufs begriffsgeschichtliche Ganze gesehen – ein drastischer Widerspruch zwischen reaktionärem Opportunismus (Marx) und einer existentiellen Nähe zum radikalen Bruch mit der Gesellschaft (Bakunin, Fanon), dem Christopher Wimmer auf den Grund geht.
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