Der Begriff des Rassismus ist nicht nur politisch, sondern auch theoretisch weithin umkämpft. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass auch das rassistische Denken selbst historischen Veränderungen unterliegt. Wo Rassisten/innen einst biologistisch argumentierten und Menschen aufgrund ihrer „Rasse“ Eigenschaften zuschrieben, fand seit Ende des Nationalsozialismus eine Verschiebung hin zu einem Rassismus statt, der kulturelle Prägungen zu unveränderlichen Wesensmerkmalen der Menschen erklärt.
Allen Spielarten des Rassismus geht es dabei um die Bestimmung des Eigenen und die Erhaltung eines gesellschaftlichen Status Quo. Sie benötigen die Abgrenzung zum »Anderen«, das als nicht zugehörig definiert und wahrgenommen wird. Mit der Vielfalt von Auffassungen darüber, was Rassismus nun sei, geht eine Breite an möglichen Erklärungen über die Genese des Rassismus einher. Wird rassistisches Verhalten beispielsweise, wie in manchen Konzeptionen von „Fremdenfeindlichkeit“ behauptet, als der menschlichen Natur eigenes Verhalten beschrieben, ist man argumentativ schnell in der Nähe eines rechten Ethnopluralismus. Zugleich erledigen sich damit auch antirassistische Strategien, die auf eine Abschaffung des Rassismus und seine Praxen zielen. Eine Rassismustheorie muss daher nach dem sozialen und historischen Grund für die Verbreitung rassistischer Denkweisen fragen, um Ansatzpunkte für eine Kritik rassistischer Praxen bereitzustellen. Dies kann je nach Rassismusverständnis eine Kritik an rassistischen Alltagspraxen und der Verbreitung rassistischer Bilder, an den Medien, an staatlichen Institutionen und Gesetzen oder aber an der modernen kapitalistischen Vergesellschaftung als Ganzes bedeuten. Ebenso bedeutungsvoll ist die Frage, wie andere Diskriminierungspraxen (Sexismus, Klassismus usw.) und Ressentiments wie der Antisemitismus in den einzelnen Theorien behandelt werden. Ist der Antisemitismus lediglich eine Sonderform des Rassismus? Wie sind diese beiden Phänomene analytisch zu trennen, ohne sie dabei von ihrem gemeinsamen gesellschaftlichen Entstehungszusammenhang zu isolieren?
Ulrike Marz skizziert die historische Entwicklung rassistischen Denkens seit der ersten Formulierung von Rassetheorien in der Kolonialzeit bis in die Gegenwart. Von ökonomie- und ideologiekritischen Ansätzen über Diskurstheorie bis zu postkolonialen Ansätzen gibt sie dabei eine Einführung in verschiedene Theorien, mit denen sich das Phänomen Rassismus erklären lässt.
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