Auf dem Höhepunkt des algerischen Unabhängigkeitskampfes gegen die französische Kolonialmacht wuchs unter den Linken in Europa die Solidarität mit dem arabischen und islamischen Widerstand. In Österreich unterstützten namhafte Parteigänger der Sozialistischen Partei (SPÖ) bis hin zum damaligen Außenminister und späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky diese Bewegung und damit den antikolonialen Kampf. Fritz Keller zeichnet diese über die Jahrzehnte verdrängte Geschichte konkreter Solidarität mit der nordafrikanischen Unabhängigkeitsbewegung nach und schreibt damit ein Stück Zeitgeschichte, das in den gängigen Geschichtsbüchern fehlt.
Inmitten der Wiederaufbau-Gesellschaft entfalteten sozialistische Jugendliche grün-weiße Fahnen mit rotem Halbmond und Stern, dem Symbol des „Front de Libération Nationale“ (FLN). Zusammen mit Kommunisten und Trotzkisten bildeten sie eine informelle Runde zur gemeinsamen Unterstützung des algerischen Unabhängigkeitskampfes.
Diese Algerien-Solidarität beschränkte sich nicht auf den Einsatz üblicher Propagandamittel wie das Organisieren von Vorträgen oder das Verteilen von Flugblättern. Zusammen mit dem bosnischen Imam Smail Balic, der später erster Vorsitzender der Islamischen Kultusgemeinde in Österreich werden sollte, besorgten sie z.B. Unterkunft und Arbeit für Flüchtlinge aus Frankreich, die von der Pariser Regierung politisch verfolgt wurden; und über Kontaktannoncen halfen Sozialisten und Kommunisten in enger Kooperation mit den Mudschahids Fremdenlegionären bei der Fahnenflucht vor ihrem mörderischen Handwerk.
Bruno Kreisky, Rudolf Kirchschläger, Karl Blecha, Peter Strasser und Karl Reidinger standen den JungsozialistInnen bei ihren antikolonialen, mitunter am Rande der Legalität angesiedelten Aktionen hilfreich zur Seite. Und dies völlig unbeeindruckt von Vorwürfen seitens französischer Stellen, damit einer „Terror-Organisation“, dem FLN, behilflich zu sein. Es war dieses Engagement für den Unabhängigkeitskampf in Algerien, das die späteren Führungskräfte der SPÖ, Bruno Kreisky, Karl Blecha, Erwin Lanc und Peter Jankowitsch dazu veranlasste, der arabischen Welt insgesamt den ihr gebührenden Respekt in der österreichischen Außenpolitik zuzugestehen. Der Schlüssel für ihre Politik in den 1970er Jahren lag in der Solidarität mit dem um seine Freiheit kämpfenden Algerien begründet.
Fritz Keller, geboren 1950 in Wien, ist
Geschichtsarbeiter und Publizist. Im Promedia Verlag ist 2005 unter
seiner Herausgeberschaft der Titel „Rosa Luxemburg. Denken und Leben
einer internationalen Revolutionärin“ erschienen.
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