In der Kunstsammlung des Waffenfabrikanten Emil G. Bührle ist die kriegerische Geschichte des 20. Jahrhunderts gespeichert. Kriegsmaterialexporte an NS-Deutschland und in die Hotspots des Kalten Kriegs hatten ihn zum reichsten Schweizer gemacht. Ausgestattet mit unerschöpflichen Mitteln kaufte er Kunstwerke, die durch Ausplünderung und Vertreibung jüdischer Sammler und Galeristen auf den Kunstmarkt gespült wurden. Über Jahrzehnte schlummerte seine Sammlung in einem Privatmuseum und diente dem Ansehen der Familie Bührle. Nun soll sie im Neubau des Kunsthauses Zürich die Stadt als Kulturmetropole aufwerten. So zumindest die Hoffnung eines Zusammenschlusses verschiedener Akteure aus Politik, Wirtschaft und Museumswelt.
Wie fand die durch Krieg, Vertreibung und Holocaust kontaminierte Sammlung Einzug in ein öffentliches Museum? Der Historiker Erich Keller zeigt in diesem Buch, wie flüchtig Erinnerungskultur ist – und wie stark die Forschungsfreiheit gefährdet wird, wenn sie unter den Druck einer neoliberalen Standortpolitik gerät. Er erklärt, wie historisch belastete Kunst ökonomisch verwertbar gemacht wird und was Provenienzforschung leisten könnte. Geht es um problematische Provenienzen, ist oft die Rede von „belasteten“ Bildern. Doch Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert wussten nichts von ihrer Zukunft. Was aber wollen die Museen von ihrer Vergangenheit wissen? Debatten um Raubkunst drehen sich nicht um eine entrückte Vergangenheit, sondern stellen Fragen nach politischer Verantwortung in der Gegenwart.
Erich Keller, 1968 geboren, ist promovierter Historiker und Journalist. Er war zwei Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts »Historische Kontextualisierung der Sammlung Bührle« an der Universität Zürich. 2020 wehrte er sich erfolgreich gegen beschönigende Eingriffe der Bührle-Stiftung und der Stadt Zürich in die Forschungsarbeiten. Er lebt mit seiner Familie in Bern.
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